Schweinekalt war es in der Nacht für alle, die in ihren Einmann-Zelten hausen mussten. Galgenhumor herrschte allenthalben, die Teilnehmer zitternd und bibbernd. Es geht ins gefürchtete „Empty Quarter“, in die wohl größte zusammenhängende Dünenregion der Arabischen Halbinsel. Einige freuen sich darauf, andere befürchten Ausfälle oder regelrechte „Grabungs-Aktionen“ im tiefen Auf und Ab der mächtigen Sandberge.
Also: Der fünfte Tag bricht an in Dunkelheit, und Kälte sorgt für Steifigkeit in den Gelenken. Und dann greift regelrechter „Strafstundenwahnsinn“: Einer der Tagessieger (Quintero/Zenz) bekommt 15 Stunden wegen Technikpanne, Baragwanath vom Century CR7-Team 39 Stunden und „Holek“ Holowczyc, der bedauernswerte X-raid-MINI-Fahrer, gar 62 Stunden. Alle für Pannen, die wahrlich nicht freiwillig verursacht wurden! Zigtausende Euro für Technik, Anreise und Start, quasi durch ein „unsinniges Reglement“ im Sand versenkt. Kein Wunder, dass dann Jahr für Jahr weniger Teilnehmer die finanziellen Belastungen in Kauf nehmen.
Nur 144 Kilometer im Dünen-Dorado, aber die haben es in sich. Der alte Fuchs Al-Rajhi eröffnet den Tanz im Sand. Bereits die ersten 30 von 118 Wertungs-Kilometern brachten Chaos in die Tageswertungen. Nasser Al-Attiyah auf dem BRX- Hunter des eigenen Teams legte los und pflügte die Dünen regelrecht um: hier war sein Terrain, in dem er die Motorleistung und seine jahrzehntelange Erfahrung mit den vielen Siegen umsetzen konnte. „He dit it“ entfuhr es denn Al-Rajhi. Den Al-Attiyah dann auf den folgenden 100 Kilometern überholte, wie auch Sainz, Moraes und Ekström.
Mit Chicherit aber hat, gerade hier im Dünenparadies, keiner gerechnet. Er feuerte seinen Overdrive-Hilux mit Verve und Fortune, mit Intelligenz und Feingefühl durch die Millionen an Tonnen von Sand, durfte sich gar mit dem Tagesrang 2 belohnen, die Markenkollegen Yacopini, Al Rajhi und de Mevius liefen danach ein. An Position 7 dann Ekström, der als bester Pilot eines Audi Q RS e-tron erneut ein feines Bild abgab und geradezu „abgebrüht“ wirkte. Die Markenkollegen Sainz an 16 und Peterhansel an 17, mit 14 Sekunden Abstand untereinander. „Mr. Dakar“ alias Peterhansel dazu: „ Ich habe einen Fünf-Minuten-Stopp eingelegt, bewusst die Zeit verstreichen lassen, damit ich morgen später starten kann“ – Psychotricks unter Spitzenleuten… Sainz dürfte aus ähnlichem Grund gleichfalls so gehalten haben. Und wo bleibt Loeb? Der schnellste der Huntertreiber fing sich eine 15- Minutenstrafe ein, weil er einen Waypoint verpasst hatte. Das warf ihn in der Tageswertung auf Platz 31 (kein Tippfehler!) zurück.
Auch am sechsten Tag war das „Empty Quarter“ Gastgeber. Mit all seinen Schönheiten, mit all seinen Schwierigkeiten. Al-Rajhi als Vortages-Schnellster, legt los in die lange Rund-Etappe „von Shubaytah nach Shubaytah“ mit 549 Kilometern gegen die Uhr.
Was genau passierte, muss noch geklärt werden. Sicher ist, das einer der versiertesten Piloten, Al-Rajhi, seinen Overdrive-Toyota zu einem heftigen Unfall provozierte „Wir waren volles Rohr im Drift unterwegs, als ich einen fetten Stein erwischte. Es gab eine Fass- Rolle, das Auto ist heftig onduliert, es geht nicht weiter. Vor Ort irreparabel“, so das lapidare Fazit. Zurück mit Fremdhilfe zum Start. Das wird nicht mehr klappen mit dem Gesamtsieg, den er durchaus in der Hand hatte. Aber immerhin besteht berechtigte Hoffnung, dass er am siebten Tag wieder dabei sein wird. Nach dem Ruhetag.
Währenddessen bläst Ekström mit dem Audi-Hybriden vorneweg, dass es fast zu schön ist. Bis Kollege Sainz ihm sogar noch zwei Minuten abnimmt. Alles wirkt schon fast wie ein Finale: Spannend, aber auch sehr gefährlich. Es ist ja eine 48-Stunden-Etappe, und wer zuerst beim Zeltlager ist, schnappt sich eines. Für Ekström, Al-Attiyah, Chicherit und noch einige Teilnehmer mehr ist somit nach 476 KM am Tage Schluss. Sainz und Ekström führen das Feld an, Loeb lauert auf der 3.
Text: Frank Nüssel
Fotos: Audi Communications Motorsport, DPPI Productions/Julien Delfosse, Frederic Le Roch (BRX)
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