In meinen Worten: Fabian Baumgart und Philipp Dinges

Ob Titelkampf oder Kellerduell in der LIQUI MOLY HBL, ob Spitzenspiel oder Abstiegsthriller in der Handball Bundesliga Frauen, ob ein Nachbarschaftsderby in der 3. Liga oder die Finalrunde der Deutschen Jugend-Meisterschaft: Seit 2020 können die Schiedsrichter*innen des Deutschen Handballbundes (DHB) bei ihren Einsätzen auf die Unterstützung der KÜS bauen. Die knapp 300 Unparteiischen eint die Leidenschaft für das Pfeifen, und doch bringt jeder seine eigenen Erfahrung, seine eigenen Antrieb, seine eigene Geschichte mit. In der neuen Interviewserie „In meinen Worten“ widmet sich ein Unparteiischer – oder auch ein Schiedsrichter-Team – einem speziellen Thema. In diesem Monat sprechen Fabian Baumgart und Philipp Dinges über die Neubildung ihres Schiedsrichterteams und die Herausforderungen, welche die Umstellung auf einen neuen Partner mit sich bringt…

Fabian, Philipp, ihr pfeift seit zwei Monaten gemeinsam und habt im vergangenen Monat euren ersten Einsatz in neuer Konstellation in der LIQUI MOLY HBL absolviert. Wie ungewohnt war es zunächst, mit einem anderen Partner auf dem Feld zu stehen? 

Fabian Baumgart: 

Natürlich ist es etwas anderes, wenn man nicht mehr mit dem Partner auf dem Feld steht, mit dem man seit 20 Jahren zusammen gepfiffen hat. Die Aufgabenteilung zwischen Tor- und Feldschiedsrichter ist zwar ähnlich, aber es geht um die Feinabstimmung. Wer pfeift zum Beispiel den Durchbruch zwischen Außen- und Halbspieler? An solchen Details muss man arbeiten. Auch die organisatorische Sachen müssen sich erst einspielen. 

Bietigheim, Deutschland 18. Februar 2022:
2. BL – 21/22 – SG BBM Bietigheim vs. TSV Bayer Dormagen

Schiedsrichter Fabian Baumgart

Zum Beispiel? 

Fabian Baumgart: 

Wo und wann trifft man sich? Wer holt wen ab? Wer kümmert sich um das Hotel? Wer macht die Seitenwahl? Wer übernimmt die technische Besprechung? Das war vorher alles durch jahrelange Routine klar geregelt und musste sich bei uns neu finden. 

Ist das schon gelungen? 

Fabian Baumgart: 

Mittlerweile haben wir uns gefunden. Wir arbeiten jetzt intensiv an den Details und besprechen Einzelszenen, um eine gemeinsame Lösung zu haben, wie wir solche Situationen das nächste Mal regeln wollen. 

Philipp Dinges: 

Ein Vorteil ist sicherlich, dass wir beide viel Erfahrung auf diesem Level haben. Als wir vor Weihnachten zu unserem ersten Spiel gefahren sind, haben wir im Auto zusammengezählt, wie viele Spiele wir beide gepfiffen haben – und kamen auf rund 1.000 Spiele für den Deutschen Handballbund. Das ist ein wichtiger Faktor, denn weil wir so lange dabei sind, waren wir in der Lage, uns schnell anzupassen und aufeinander einzugehen. 

Bevor wir weiter über euch sprechen, eine generelle Frage: Warum ist der Gespannpartner im Handball so wichtig? 

Goeppingen,17. November 2023:
HBL – 23/24 – Frisch Auf Goeppingen – TSV Hannover-Burgdorf

Philipp Dinges: 

Handball ist von der Entscheidungshäufigkeit her – wie schnell hintereinander musst zu entscheiden – die Sportart, welche die höchste Frequenz hat. Und du musst ein blindes Vertrauen in deinen Partner haben, weil beide gleichberechtigt sind. Denn anders als im Fußball gibt es keine Hierarchie; bei uns gehen die Aufgabenbereiche von Tor- und Feldschiedsrichter ineinander über. Das ist die Besonderheit und muss funktionieren. Es muss egal sein, ob Fabian oder ich am Tor steht – wir müssen bei einem Durchbruch beide die gleiche Entscheidung treffen. 

Fabian Baumgart: 

Es gab auf internationaler Ebene Experimente, dass Schiedsrichter aus verschiedenen Gespannen gemeinsam gepfiffen haben oder sogar drei Schiedsrichter eingesetzt wurden, aber das hat sich nicht durchgesetzt. Ich kenne die Details nicht, aber wenn du einen anderen Partner hast, ist es einfach nicht die gewohnte Routine. Es fehlt immer ein Stückweit die Sicherheit, weil Kleinigkeiten anders sind. 

Philipp, du hast schon einen Partnerwechsel hinter dir. Wie lange braucht man als Schiedsrichter, bis man sich auch mit seinem neuen Gespannpartner auf dem Feld sicher fühlt? 

Philipp Dinges: 

Das ist unterschiedlich. In einigen Bereichen hat es zehn Minuten gedauert, in anderen hält die Feinjustierung über einige Spiele an. Für uns ist es daher jetzt wichtig, regelmäßig gemeinsam zu pfeifen und die Spiele gemeinsam auszuwerten. Denn ein Handballspiel zu pfeifen, ist so komplex, dass es nicht reicht, sich eine halbe Stunde zusammenzusetzen und hinterher weiß jeder, was er in welcher Szene zu machen hat. Das funktioniert einfach nicht. 

Wie weit seid ihr in diesem Findungsprozess schon? 

Philipp Dinges: 

Für mich hat es sich in den letzten zwei, drei Spielen angefühlt, als würden wir schon jahrelang zusammen pfeifen. Es ist sicherlich ein Vorteil, dass Fabian und ich uns schon lange kennen. Wir treffen uns seit 15 oder 16 Jahren auf Lehrgängen und verstehen uns gut. Ich kannte die Art und Weise, wie Fabian und Sascha als Gespann gepfiffen haben und wusste, dass wir die gleiche Auffassung von Handball haben. Ich hatte daher keinen Zweifel daran, dass es funktionieren wird. 

Eure vorherigen Gespannpartner Sascha Wild und Tobias Schmack haben aus beruflichen und privaten Gründen aufhören müssen, aber dennoch: Wie lange musstet ihr überlegen, ob ihr diesen Schritt macht und euch zu einem neuen Gespann zusammenschließt? 

Fabian Baumgart: 

Wir haben nicht lange überlegt. Es war klar, dass Sascha aufhören wird und dann stellte sich die Frage, wie es mit mir weitergeht. Ich wollte nicht aufhören, sondern weiter Bundesliga pfeifen, aber dass du dich auf diesem Niveau als neues Gespann findest, ist selten. Daher war es vielleicht ein bisschen Schicksal, dass Philipps Partner zum – in Anführungszeichen – passenden Zeitpunkt ebenfalls aufgehört hat. 

Philipp Dinges: 

Als in meinem Gespann immer klarer wurde, dass Tobias das Pfeifen aufgrund seines beruflichen Sprungs nicht mehr schafft, war für mich klar: Wenn es eine Alternative gibt, bin ich bereit, noch einmal den Switch zu machen. Ich bin in einem Alter, wo sich dieser Schritt noch lohnt und ich noch Bock auf das Pfeifen habe. 

Fabian Baumgart: 

Genau! Als sich die Möglichkeit aufgetan hat, war mir sofort klar, dass ich mich mit Philipp zusammenschließen will. Denn ohne neuen Partner hätte ich zwangsläufig aufhören müssen. Und mit einem neuen Partner, der keine Bundesligaerfahrung hat, hätte ich erst wieder aufsteigen müssen. Einen einzelnen Schiedsrichter zu finden, der die Zeit und die Motivation mitbringt, auf diesem Niveau pfeifen zu wollen, ist selten. 

Philipp Dinges: 

Wir haben aber dennoch viele Dinge im Vorfeld geklärt – zum Beispiel die berufliche und familiäre Situation. Fabian ist zudem sechs Jahre älter als ich und für mich war es wichtig, ob er noch Lust hat, fünf oder sechs Jahre zu pfeifen. Wenn er nur noch ein oder zwei Saisons locker hätte wegpfeifen wollen, hätte es nicht gepasst. Er hat aber gesagt: Ich habe Bock, das durchziehen – und das war eine Antwort, mit der ich sehr gut leben konnte. Ich wusste: Es lohnt sich, die Hürden als neues Gespann zu nehmen. So ein Wechsel lohnt sich nur, wenn beide zu hundert Prozent überzeugt sind – sonst braucht man es nicht zu machen. 

Fabian hat eben bereits gesagt, dass er mit einem unerfahrenen Partner erst wieder hätte aufsteigen müssen. Warum habt ihr direkt in der Bundesliga weitermachen dürfen? Denn eigentlich steigt man ja als Gespann auf… 

Philipp Dinges: 

Jutta Ehrmann-Wolf, unsere Schiedsrichter-Chefin, hat gesagt, dass sie keine Bedenken hat, ob wir die Leistung gemeinsam abrufen können. Wir waren daher sehr froh, dass wir die Möglichkeit bekommen haben, im Elitekader eingruppiert zu werden. Zumal Fabian mit seiner internationalen Erfahrung natürlich ein großes Pfund ins neue Team einbringen konnte. Ich selbst habe sehr viele Spiele im Erstligabereich gepfiffen und daher hat uns das Schiedsrichterleitungsteam den Weg freigemacht.

Für euch beide hat es dennoch eine Veränderung mit sich gebracht … 

Philipp Dinges: 

Das stimmt. Ich habe mit Tobias im Elite-Anschlusskader gepfiffen und bin quasi eine Stufe aufgestiegen. Fabian musste allerdings im Zuge des Partnerwechsels seinen internationalen Status abgeben. 

Fabian Baumgart: 

Ich hätte natürlich gerne weiter international gepfiffen, denn das hat mir – auch mit den Reisen – immer gut gefallen. Das war aber als neues Gespann natürlich keine Option und ich mache mir darüber keine Gedanken mehr. Ich bin super happy, dass ich mit Philipp weiter in der Bundesliga pfeifen kann. 

Den Halbzeitlehrgang im Januar habt ihr das erste Mal als Gespann absolviert. Wie haben die Schiedsrichter-Kollegen den Wechsel aufgenommen? 

Philipp Dinges: 

Der Wechsel – und auch die Einstufung in den Elitekader – waren im Vorfeld intern kommuniziert, daher war es für alle klar. Es gab auf dem Lehrgang viele positive Reaktionen von Kollegen. Sie haben sich für uns über die Möglichkeit gefreut, aber auch darüber, dass unsere Erfahrung erhalten bleibt. 

Und wie sind die Reaktionen in den Hallen ausgefallen? 

Philipp Dinges: 

Natürlich haben einige Spieler und Trainer nachgefragt, aber es war ein positives Interesse. Das ist aber auch verständlich, denn Fabian und Sascha haben über Jahre hinweg Topspiele gepfiffen. 

Wie lange dauert es noch, bis ihr euch wirklich an den Klang von Baumgart/Dinges gewöhnt habt? 

Philipp Dinges: 

Ich habe mich schon dran gewöhnt (lacht). Bei mir ist das aber auch einfacher, weil ich mit Tobias kürzer zusammen war als Fabian mit Sascha. 

Fabian Baumgart: 

Ein paar Wochen braucht man sicherlich, bis es sich überall eingespielt hat, aber dann kommt auch die Frage nicht mehr (lacht).

Hamburg, Deutschland 24. April 2022:
Handball DHB-Pokal – 21/22 – Finale – THW Kiel vs. SC Magdeburg

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